Corona II – Vor Covid-19 sind alle gleich?

„Düstere Vorhersage des IWF: Die größte Krise seit der Großen Depression“ © www.schwarwel-karikatur.com
„Düstere Vorhersage des IWF: Die größte Krise seit der Großen Depression“ © www.schwarwel-karikatur.com

„Lorenzo Sanz, der frühere Präsident des spanischen Fußball-Rekordmeisters Real Madrid, ist im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben.“ „Der berühmte Musiker Manu Dibango ist nach einer Infektion gestorben.“ „Lebensgefährte von Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit gestorben.“ „Schauspieler Mark Blum an Covid-19 gestorben.“ … Nur einige Schlagzeilen aus den letzten Wochen über prominente Opfer der Covid-19-Pandemie. Hinzu kommen zahlreiche VIP’s, die am Coronavirus erkrankt sind, wie der britische Premierminister Boris Johnson.

Status Quo der Ausbreitung des Covid-19-Virus © https://coronavirus.jhu.edu/map.html, am 16.04.2020, Update 15:03 Uhr
Status Quo der Ausbreitung des Covid-19-Virus © https://coronavirus.jhu.edu/map.html, am 16.04.2020, Update 15:03 Uhr

Eines eint sie alle: Sie standen oder stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Jedoch viele von den bislang weltweit fast 140.000 Toten (Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/map.html, am 16.04.2020, Update 15:03 Uhr) sind unbekannt für die Menschen an den TV-Bildschirmen, vor den PC-Monitoren oder den Followern in den sozialen Medien gestorben. Sie sind gestorben, ohne dass sich ihre Verwandten von ihnen verabschieden konnten, wurden in begrenzten „Kleinzeremonien“ beerdigt oder gar nur beigesetzt. Ein Kreuz, ein Grabstein, ein Gedanke. Das war es. Sie alle leben nicht mehr.

Arm und zum Tode verurteilt?

Es sind Menschen und vor allem die ärmsten Schichten der Gesellschaft, die bislang schon nicht gesund leben konnten. Keinen ordentlichen Zugang zu den hochgerüsteten Privat-Hightech-Kliniken hatten. Die teilweise von der Hand in den Mund leben. Mit dem Wenigen auskommen, was ihnen gnädiger Weise staatlich Sozialsysteme zumindest in Deutschland an der untersten Existenzgrenze zugestehen. Dieses wird auch auf der interaktiven Karte der John Hopkins Universität deutlich: Dort, wo die sozialen Sicherungssysteme am schlechtesten ausgebildet sind, gibt es scheinbar nicht nur die meisten nachgewiesenen Infektionen, sondern auch die höchsten Zahl an Toten im Verhältnis zu den Erkrankungen. Das belegen aktuelle Zahlen aus den USA: „Besonders betroffen die afroamerikanische Bevölkerung. In Regionen, in denen mehrheitlich Schwarze leben, gibt es offenbar eine dreimal so hohe Infektionsrate und fast sechs Mal so viele Todesfälle wie in den Wohngebieten der Weißen.“ (Quelle: WELT/Lea Freist. Eingebettetes Video ab 0.15 Minuten https://www.welt.de/politik/ausland/article207239445/Trumps-bizarre-Show-Moderator-reagiert-mit-Wutanfall-auf-US-Praesidenten.html?wtrid=kooperation.reco.taboola.free.welt.desktop).

Ich bin überzeugt, dass sich dieser aktuelle Trend aus den USA und auch in den Ländern der sogenannten Dritten Welt, aber auch aus Europa in ein paar Jahren annähernd bestätigen wird. Deshalb weisen bereits heute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf hin, dass die soziale Ungleichheit einer der wichtigsten Aspekte der Gesellschaft ist, den wir bei der Bewertung und Neuorientierung nach der Covid-19-Krise besonders beachten müssen: „Denn die Pandemiefolgen treffen die Schwächeren mehr als die Stärkeren“, betont Professor Christiane Woopen, Medizinethikerin und Vorsitzende des Europäischen Ethikrates in der ZDF-Sendung Markus Lanz am 14. März 2020 (Quelle: https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-14-april-2020-100.html, ab 01:07:45).

Die Reichen und Privilegierten

Und dann gibt es die Privilegierten der Gesellschaft. Besonders in der westlichen kapitalistischen Welt, wo ein paar Superreiche in Begleitung „von einigen Escort-Girls auf den Weg in die Sonne mit dem Privatjet nach Marseille fliegen wollten“ (Quelle: https://www.msn.com/de-de/nachrichten/coronavirus/lockdown-missachtet-reiche-m%C3%A4nnerclique-fliegt-mit-privatjet-nach-marseille-und-wird-prompt-zur%C3%BCckgeschickt/ar-BB12twxR?OCID=ansmsnnews11) oder wo sich Multimillionäre auf einsame Inseln vor dem Coronavirus flüchten. Und „Reiche greifen auch immer mehr auf private Gesundheitsvorsorge zurück. In Großbritannien, wo Testungen des National Health Service (NHS) nur bei Verdachtsfällen durchgeführt werden, gibt es vermehrt Anfragen für Testungen an privaten Kliniken für sehr wohlhabende Menschen. Einige Privatärzte berichteten sogar von Anfragen, eine Corona-Impfung noch vor der allgemeinen Freigabe zu erhalten.“ (Quelle: https://kontrast.at/corona-ungleicheit/)

Aber, nicht nur die „Super-Reichen und Schönen“ sehen sich in der Lage, mit ihren Privilegien dem Coronavirus zu entfliehen. Nein, es sind auch die Schichten der Menschen, die sich an diesen vermeintlichen VIP’s orientieren. Immer nach dem Motto: „Was die dürfen, das können wir schon lange.“ So waren über die Osterfeiertage trotz Ausgangsbeschränkungen lange Autoschlangen vor Kleingartenanlagen zu beobachten, dort tummelten sich nicht nur Familienmitglieder hinter Palisaden und Hecken. Ausflügler in verschiedenen Freundes- und Bekanntheitskonstellationen zu Wasser und zu Land tummelten sich entgegen allen Warnungen der Virologen bei traumhaften Temperaturen und Sonnenschein. Und das sind nicht nur die eigenen Beobachtungen oder Hinweise aus WhatsApp-Statusmeldungen.

Dank des uneinheitlichen Vorgehens der deutschen Bundesländer in der Eindämmung der Ausbreitung von Covid-19 fuhren um die Osterzeit wieder Tausende in die sogenannten liberaleren Bundesländer zum Einkaufen in die Baumärkte oder an den See und Landhäuser zum Relaxen. Auch wenn durch das Treffen der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und deren Corona-Krisenstab am 15. April 2020  ein mehr oder minder einheitliches Vorgehen bis zum 3. Mai 2020 vereinbart wurde (Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bund-laender-beschluss-1744224), täuscht es nicht darüber hinweg, dass der Föderalismus in seiner bundesdeutschen Ausprägung in der Prävention sowie den Anfängen der Eindämmung dieser aktuellen sowie auch künftiger Pandemien kein krisenfestes Staatsmodell ist. Hoch lebe der Egoismus, dass jedes Bundesland für sich Schutzkleidung bestellt und Nothilfepakete nach gut Dünken für seine „Landeskinder“ ausruft, egal, ob diese bundesweit oder sogar global tätig sind. Hoch lebe die mittelalterliche Kleinstaaterei in einer globalisierten Welt, die es gilt neu nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten zu organisieren. Hoch leben die Grenzen mit ihren ideologischen Schlagbäumen. Hoch lebe ebenfalls ein zersplittertes Europa von Kleingeistern und Individualisten, das ebenfalls auf institutioneller Ebene kläglich versagt hat.

Doch wer sind diejenigen, die Anordnungen zum Schutz von unser aller Leben nach ihrem individuellem Empfinden auslegen und ausleben? Es sind oft Menschen, die sich sicher fühlen. Entweder haben sie noch Arbeit in gesicherten Jobs wie Ämtern oder behördenähnlichen Institutionen. Sie arbeiten an gesicherten Arbeitsplätzen oder im Homeoffice. Besonders ambivalent in dieser Situation, dass sich Menschen am Rand der Gesellschaft, die in den sozialen Sicherungssystemen seit Jahren festhängen, die gegenwärtigen Einschränkungen übergehen. Ob wissentlich, ob aus purer Dummheit, weil es ja so viele auch machen oder weil sie einfach solange vom gesellschaftlichen Leben in Ethik und Moral ausgeschlossen waren. Jedoch sind auch diese Menschen durch das Netz aus Sozialleistungen abgesichert.

„Zur Wahrheit gehört aber auch: Der öffentliche Dienst ist gerade in dieser Krise in einer höchst privilegierten Stellung. Während andere um ihre Existenz bangen, keine Einnahmen haben, von Kurzarbeitergeld leben müssen, kommt das Gehalt hier weiter pünktlich. Auch angesichts dessen ist es aus meiner Sicht nicht zu viel verlangt und auch nicht anmaßend zu erwarten, dass wir diese Stellung durch besonderes Engagement, durch besonderen Einsatz und Hingabe rechtfertigen. Dass wir nicht dem Einzelnen, sondern dem Allgemeinwohl dienen! So wie ‚der öffentliche Dienst‘ in seinem Selbstverständnis erdacht ist“, schreibt am 15. April 2020 der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Quelle: http://likn.de/TTG) Und was der OBM dort eigentlich meint, wird in persönlichen Gesprächen schnell deutlich. Es gibt wirklich Angestellte im öffentlichen Dienst, denen die Krise wirklich Schwierigkeiten bereitet, sich zu engagieren.

Wohnverhältnisse in Deutschland ungeeignet um die Corona-Krise einzudämmen

Es zieht sich weiter. „In Deutschland leben mit einem Anteil von jeweils 19 Prozent vor allem armutsgefährdete Menschen sowie Alleinerziehende und ihre Kinder in Wohnungen, die nach diesen Kriterien zu wenige Zimmer haben.“ (Quelle: https://taz.de/Ueberfuellter-Wohnraum-in-Deutschland/!5564987/) Ein Zustand, der gerade in Corona-Zeiten lebensbedrohlich sein kann. So berichtet das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung: „Um die Ausbreitung des neuen Coronavirus zu verlangsamen, verlängern viele Regierungen in der Europäischen Union (EU) die Zeiträume von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren. Zuhause bleiben fällt nicht immer leicht, vor allem dann, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenwohnen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, lebten 6 Millionen Menschen in Deutschland im Jahr 2018 in einer überbelegten Wohnung. Das waren 7,4 % der Bevölkerung. Im europäischen Vergleich war das ein geringer Anteil: Der EU 28-Durchschnitt lag bei 15,5 %. Als überbelegt gilt eine Wohnung dann, wenn sie über zu wenige Zimmer im Verhältnis zur Personenzahl verfügt.“ (Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2020/PD20_15_p002.html) Diese Misere, die sich in der Bundesrepublik noch positiver darstellt als im größeren Rest Europas, entstand durch eine verfehlte Wohnungspolitik, die Lobbyismus von Wohneigentümern aufbaut. Grundstücksspekulation, daraus folgend Mietwucher gestaltet Wohnen für den Großteil der Bevölkerung nicht zu einem Teil des sich zu Hause fühlen, sondern birgt finanzielle Risiken und damit Verzicht auf Lebensqualität. „In München müssen Familien im Schnitt 43 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben, in Freiburg sind es 42 Prozent, in Frankfurt am Main 39 Prozent.“ Zu diesem Ergebnis kommt  die Deutschland-Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos, die das ZDF in Auftrag gegeben hat (Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/deutschland-studie-zdf-lebensverhaeltnisse-familien-mieten).

Mein zweites Fazit

Die Gesellschaft muss jetzt in der Krise zusammenhalten. Ja, muss sie. Tut sie aber nicht. Auch wenn in Talkshows und Reportagen die Prominenten dieser Welt auf ein „Wir“ eingeschworen werden und mit ihren Statements zum Zusammenhalt und der Solidarität aufrufen. Denn angesichts der Militärtransporter von Bergamo und der Massengräber von New York wollen sich die Reichen plötzlich an die Seite der Armen stellen. Doch dem ist nicht so. Sie werden jedoch auf die gleiche Stufe der Vergänglichkeit mit allen Schichten der Gesellschaft gestellt: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Vermeintliche_Weissagung_der_Cree)

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