Vom gescheiterten Putschversuch zum allumfassenden Sultanat #Türkei

Dieser vergangene Putsch sein Geschenk Allahs tönte die Stimme Recep Tayyip Erdoğans schon am Samstag aus den Propagandalautsprechern. Zwischen diesem Aufschrei der „Befreiung“ und der heutigen teilweisen Aufhebung der Europäischen Menschenrechtskonvention liegen …

… die Ausrufung des Ausnahmezustands,

… die Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe,

… über 6000 festgenommene Soldaten,

… dazu über 100 festgenommene Generäle,

… über 150 festgenommene Polizisten,

… über 2000 festgenommene Richter und Staatsanwälte,

… gut 700 festgenommene Zivilisten,

… rund 24.000 suspendierte Lehrer und Verwaltungsbedienstete,

… ca. 1700 Universitätsprofessoren, die ihre Entlassung einreichen sollen,

Das ist die vorläufige Bilanz. Sie zeigt, wie entschlossen schnell der Herrscher vom Bosporus nach dem gescheiterten Putschversuch handelt.

Er war schon während des Putsches sehr aktiv geworden und schickte seine Anhänger, Landsleute an die vorderste Front zur Verteidigung seines Machtanspruches. Dadurch kostete der als lautlos geplante Putsch einer kleinen Gruppe von Armeeangehörigen nach jüngsten offiziellen Angaben 145 Zivilisten, 60 Polizisten und drei Soldaten das Leben, mehr als 1500 Menschen wurden verletzt.

Ein Putsch ist nicht das richtige Mittel, um eine demokratisch gewählte Regierung an dem zu hindern, was schon lange festgeschrieben war und nur noch über Nacht und aus „gutem Grund“ aus dem Schubladen hervorgezogen werden musste.

Diese „Säuberungsmaßnahmen“ – to be continued – reihen sich ein in die jüngsten Machenschaften des Recep Tayyip Erdoğans und seiner Gefolgsleute aus der AKP …

… die Aufhebung der Immunität von 138 unliebsamen Parlamentariern auf Geheiß des türkischen Staatspräsidenten,

… der Prozess gegen den Journalisten und Chefredakteur Can Dündar von der renommierten Oppositionszeitung Cumhuriyet, der mit seiner Zeitung illegale Geschäfte des NATO-Mitgliedsstaates und EU-Beitrittsaspirant Türkei mit dem Islamischen Staat IS aufdeckte,

… die Absetzung des Europa-freundlichen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu und Inthronisierung des Erdoğan-Vertrauten Binali Yıldırım,

… selbst die kurzfristige Sperrung der von NATO-Truppen belegten internationalen Luftwaffenbasis Incirlik,

… und nicht zuletzt der seit letztem Jahr wütende Krieg gegen die türkischen Kurden, dem mehr als 3000 Menschen, darunter mindestens 30 Zivilisten (nach kurdischen Angaben) zum Opfer fielen,

Alles Belege für das Bestreben Erdoğans die Türkei des Mustafa Kemal Atatürk in einen auf ihn zugeschneiderten Präsidialstaat umzuwandeln. Erst leise und nun mit dem Putschversuch im Hintergrund ganz drastisch und mit allen Mitteln.

Die EU-Staatsbürokraten, die noch bis vor kurzem dem türkischen Despoten die Füße leckten, dass dieser die unliebsamen Flüchtlinge von EU-Landen fernhalten sollte, müssen nun erkennen, dass sie mit ihrem Wegschauen den Boden für die gegenwärtigen Entwicklungen bereiteten. Sie haben zugesehen, wie sich aus dem fast noch demütigen ehemaligen Ministerpräsidenten ein mächtiger Sultan entwickeln wird.

Den Islam missbrauchend lullt er sein Volk ein, verheißt mit Milliarden an Investitionen den prosperierenden Aufstieg zur Wirtschaftsmacht an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Und zieht noch leise und scheinbar unbemerkt die Fäden zum IS.

Erdoğan wird den IS fressen mit dem Ziel: das nächste Osmanische Reich zu errichten mit Sultan Recep Tayyip Erdoğan an der unangefochtenen Spitze.

Dem wollten die Generäle und ihre Soldaten ein Ende setzen. Sie sind gescheitert, weil sie mit dem Putsch das falsche Mittel eingesetzt haben. Ein Ruf an die Weltöffentlichkeit war es allemal und so kommt ans Licht, was der Sultan vom Bosporus schon lange geplant hatte.