Leipzig, eine Ausnahme vom Zustand

Polizisten mit Rosen nach der Demo
Polizisten mit Rosen nach der Demo

Wer am 21 Januar in Leipzig zu Gast und ohne Nachrichtenkontakt war, hatte einen kleinen Vorgeschmack von dem, wohin Deutschland mit der derzeitigen Entzweiung driften wird. Ausnahmezustand betiteln es die sensationslüsternen Medien. Es war der größte Polizeieinsatz mit 4400 Beamten und 1000 Einsatzfahrzeugen. Vom Hauptbahnhof bis zum Connewitzer Kreuz zog sich ein blaues Band der bundesweit herangeorderter Polizisten. Einsatzbereit mit Helm und aufgereiht in den üblichen Grüppchen beäugten sie das Geschehen in der Innenstadt der sich selbst als Messe- und Universitätsstadt bezeichnenden Metropole im westlichen Sachsen.

Meine Einstellung zu dieser unrühmlichen Begleiterscheinung der Legida-Mitläufer-Veranstaltung an diesem kalten Januartag ist etwas zwiegespalten. Safety first – Ja! Und Anschläge auf Bahnanlagen von autonomen Randalierern,  ein brennender Kleinwagen, Bierflaschen und Böller von beiden Seiten sowie Angriffe auf Journalisten von Legida-Hooligans geben den Machern von Sicherheitsstrategien Recht. Leider, denn wer zerstört, ist gegen Alles, auch gegen die bunten Demos für Toleranz, Friedensliebe, Asylrecht, Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit und und und … Die Liste ließe so beliebig weiterführen. Menschen, die zerstören, sind weder links, noch verfolgen sie einen humanistischen Zweck mit ihren Taten.

Am 21. Januar durften verschiedene Meinungen auf Leipzigs Straßen Kund getan werden. Das mussten wir aushalten. Auch wenn ein kleiner Teil des Innenstadtrings, auf dem das DDR-Volk 1989 für einen neuen Weg der Gestaltung der Gesellschaft und des freiheitlicheren Zusammenlebens abstimmte und bitterlich verlor, auch wenn dieser Weg mit braunen Fußspuren besudelt wurde. Es gab 19-mal die Gelegenheit, sich lautstark in die Diskussion um ein Bleiberecht für alle Hilfsbedürftigen einzumischen. Es war auch ein schönes Gefühl, dabei gewesen zu sein. Danke an die wenigen –  20.000 –  engagierten Leipziger für die laute Stimme, für Tanz, Musik und einen nur durch einen kurzen braunen Windzug unterbrochenen bunten Abend. Die Anwesenden rückten gemeinsam mit Ballett-Chef Mario Schröder, dem ehemaligen Thomaskirchenpfarrer Thomas Wolff und dem Vorstand der Schaubühne Lindenfels René Reinhard gegen die aufkommende Kälte zusammen. Ein getanzter Gruß vom Leipziger Ballett des Ersten, mahnende Worte des Zweiten und Rezitation von André Hellers Abendland durch den Dritten –  so viel Kultur für das aufgewühlte Gemüt. Dazu noch eine Band, die mit lyrischen Texten auf heißem Beat die Massen zum Tanzen brachten. Das allein war das Kommen wert.

Wenn da nicht, ja wenn da nicht eine zu großer Andrang von Menschen – immerhin geschätzte 15.000 – dem gegenüber gestanden hätte, die ihrer Unzufriedenheit mit dem eigenen Hadeln und den Rahmenbedingungen des eigenen Daseins als Mitläufer hinter einer braunen Rädelsführerschaft Ausdruck verleihen mussten.

Und da bin ich zurück bei der anderen Seite meines Zwiespalts: Frustrierte Polizisten. Es macht sicher keinen Spaß, früh kilometerweit in Richtung Osten zu fahren und sich gegebenenfalls die Rübe einhauen zu lassen durch irgendwelche Randalebereiten. Wie geschrieben: 4400 Beamte, 1000 Einsatzfahrzeuge, mindestens 1,5 Millionen Euro Kosten! Wenn man das Geld für die politische Bildung junger Menschen einsetzen würde, könnten sich Demonstration a la Legida erübrigen. Wer weiß. Der Frust bei den blauen Beamten, die auch Geld für ihren Einsatz erhalten im Gegensatz zu den vielen freiwilligen Demonstranten hüben und drüben der Polzeiwagenburgen, war schon erkennbar groß. Wir haben aber trotzdem Danke gesagt und eine Rose zum Schluss zumindest an zwei Beamte weitergeben können, als Zeichen, dass wir auch ihre Arbeit schätzen. Wir waren in dem Moment auch vor den Provokationen der Legionellen geschützt bei aller Distanz zu anderen Vorkommnissen von Einsatzkräften gegenüber friedlichen Blockierern der Mitläuferschaft.

Es war mehr als friedlich an diesem Abend entgegen den Unkenrufen von Polizei und Politik – ausgenommen die kleineren Rangeleien, die ich nur vom Hören-Sagen-Lesen konsumieren konnte. Also doch kein Ausnahmezustand, sondern nur eine Ausnahme vom Zustand einer normalen Stadt in deutschen Landen.

Halten wir es mit den Aufrufen der Courage-Organisatoren: „Wir kommen wieder!“ … bis die Straße wieder frei ist von braunen Fußspuren und kein Polizist seinen verdienten Feierabend in westlichen Gefilden dem Demotrott im Osten opfern muss.

Verfolgt auf Twitter, wie es weitergeht: #platznehmen #nolegida #nopegida #jesuischarlie